Magnificat - Schnebel, Dieter

Titel

Magnificat

Komposition

Schnebel, Dieter

Besetzung

Schola, Chor

Zusatzinstrumente variabel (Orgel, Harmonium, Synthesizer-Keyboard oder Akkordeon uvm.),

kleines Schlagzeug (diverse Trommeln, Chinesisches Becken, Schwirrholz, Guiro, Sandblocks)

Dauer

ca. 20 - 45 Minuten

Schwierigkeitsgrad

3 mittel

Schlagwörter

graphische Notation, Improvisation, Klassenmusizieren / heterogene Gruppen, Kompositionswerkstatt Konzeptmusik, offene Form, Raummusik, Publikumsbeteiligung, theatralische Elemente / Musiktheater

 

KOMMENTAR

Kurzbeschreibung

Dieter Schnebels „Magnificat“ ist eindringliche, nachdenkliche Hörerfahrung durch ereignisreiches Klanggeschehen, eingebettet in archaische Klänge und spannungsreiche harmonische Welten. Der besondere Höreindruck wird einerseits bestimmt durch die stets präsenten gregorianischen melodischen Linien und die sie umgebenden „Pedalklänge“, die den klanglichen Horizont als Raumtiefe erscheinen lassen, andererseits durch die das Publikum umkreisenden, umgebenden Aktionen der Chorsänger.

Notation

Traditionelle Notation mit Erklärungen zum formalen Ablauf.

Anforderungen

  • Diese Magnificat-Vertonung beruht auf der Grundlage gregorianischer/liturgischer Modelle mit „Pedalklängen“, die vom Chor gesungen werden und/oder mit „Keyboard-Akkorden“ gestützt werden. Diese „Stützakkorde“ können aus örtlich unterschiedlichen Aufführungsbedingungen gestaltet werden, bunte Registrierungen/Instrumentierungen sind möglich und erwünscht (Posaunenchor, Bläsergruppen, Streicher-Ensemble, u.v.m.). Der Spielraum zur Besetzungsdisposition kann kreativ genutzt werden, ebenso ist die Nutzung diverser Schlagzeuginstrumente variabel.
  • Die Komposition enthält Hinweise zur Entstehung und Praxis aus der Feder des Komponisten, u.a. ein Vorschlag als Ablaufplan des Gottesdienstes, in dessen Verlauf Einzug und Auszug ebenso als Bewegungselemente integriert sind wie in der Magnificat-Vertonung selbst.
  • Aus zusätzlichen Anweisungen des Komponisten lassen sich weitere Improvisationsfelder ableiten: „Magnificat ist eine räumliche Musik. Die Schola steht immer vorne. Der Chor (beliebig groß) ist anfangs links und rechts von der Gemeinde in je einer Reihe aufgestellt… Später kommt es zu Wanderungen des Chors nach außen – in Nebenräume oder sogar ins Freie. Die Schola singt stets das gregorianische Material – oft in mehrfachen Wiederholungen der einzelnen Verse. Der Chor (sowie Orgel und Schlagzeug) bilden dazu in stark improvisatorischer Weise eine raumklangliche Begleitung bzw. Erweiterung. Die Musik des Chores besteht einerseits aus Liegeklängen, andererseits aus imitatorischen Vervielfältigungen der gregorianischen Melodik…“
  • Das Werk bietet vielfältige Herangehensweisen an: Vielfach aufgeteilte Chorgruppen mit spezifischen Aufgaben; eine Schola, die nur aus Männerstimmen besteht.
  • Das Tutti hat lediglich Stützakkorde (Pedalklänge), ferner Sprechpartien von einzelnen SprecherInnen, die keine SängerInnen sein müssen. Die musikalischen Kräfte einer ganzen Gemeinde, ja die singende Gemeinde selbst, lassen sich in das Werk kreativ einbinden und es können nicht zuletzt auch liturgische und theologische Kompetenzen (Diakone, Pfarrer, Liturgen) beteiligt werden.
  • Der instrumentale Part des Werks unterstützt die intonatorische Stabilität der gesungenen Haltenoten.

Didaktische Hinweise und Empfehlungen

  • Vorübungen für die ChoristInnen: ausgewählte Chorgruppen (Männer-/Frauenstimmen oder Soli aus dem Chor) erfinden Melodien aus dem Material des Magnificat-Psalmtones und singen solche als Kanon; dazu singen die verbleibenden Stimmen Halteklänge als Einführung in die Klangwelt der Schnebel-Komposition: Akkorde zunächst einfach tonal wählen, dann auch dissonante Intervalle einfügen, quasi aus der Komposition ableiten.
  • Die Halteklänge sind in Schnebels Vorlage als „Keyboard-Akkorde“ geschrieben, die gesungen werden; sie können aber auch in eigenen Instrumentierungen für vor Ort vorhandene Instrumentalensembles (gemischte Gruppen, Posaunenchor, Streicherensemble, Blockflöten, Schlagzeug usw.) instrumentiert werden; größtmögliche Phantasie ist hier erlaubt.
  • Die Erarbeitung des Werkes sollte die Bereitschaft der ChoristInnen zu selbständigem Tun im Blick haben, zwei Monate Vorbereitungszeit dürften jedoch ausreichen. Parallel dazu bleibt Raum für die Erarbeitung zusätzlicher Chorwerke.
  • Eventuell Gemeindesingen mit Instruktion möglich: Einfache Beteiligung der singenden Gottesdienst-Gemeinde (Summen von Liegetönen, Sprechen bzw. Rufen bestimmter Worte oder Lied-Antiphonen je nach liturgischer Jahreszeit (Nun komm der Heiden Heiland, Christ ist erstanden, Nun bitten wir den Heiligen Geist, u.a.)).
  • Das Werk kann konzertant oder als figurale Musik im Gottesdienst aufgeführt werden. Obwohl als „komponierter Gottesdienst“ entworfen und dort als figurale Musik zu verschiedenen Kirchenjahreszeiten und liturgischen Anlässen nutzbar, kann die Komposition im Zusammenhang mit anderen Musikwerken (auch nicht-kirchlichen Inhalts) konzertant in fruchtbaren künstlerischen Dialog treten.
  • Das Werk eignet sich zudem in seiner besonderen Gestalt und durch den spezifischen biografischen Hintergrund der Persönlichkeit des Komponisten Dieter Schnebel als Türöffner für weniger erfahrene Hörer (Gemeinde) zur Neuen Musik, zum Umgang mit künstlerischer Tradition überhaupt.
  • Letztlich könnte das Werk als Gegenstand einer vertiefenden Betrachtung und Reflektion Neuer Musik in zeitgenössischer Kirche und Gesellschaft dienen. Im weitesten Sinne repräsentiert das Werk in aller Unaufwendigkeit und Konzentration die Mittel aus der Kompositionsgeschichte der letzten Jahrzehnte seit den 1950er-Jahren.

Bezugsquelle

Erscheint bei Schott (www.schott-music.com)

Hinweis

Laut Auskunft des Verlags wird die Sing- und Spielpartitur zu Dieter Schnebels "Magnificat" voraussichtlich im Jahr 2020 erscheinen.