Aus den sieben Tagen - Stockhausen, Karlheinz

Titel

Aus den sieben Tagen : Nr. 26

Komposition

Stockhausen, Karlheinz

Besetzung

15 Textkompositionen für intuitive Musik in variabler Besetzung

Schwierigkeitsgrad

* heterogen

Schlagwörter

Aleatorik, erweiterte Spieltechniken / Vokaltechniken, Improvisation, Klassenmusizieren / heterogene Gruppen, Konzeptmusik, offene Form, theatralische Elemente / Musiktheater

 

KOMMENTAR

 

Kurzbeschreibung

„Aus den sieben Tagen“ ist das erste Werk mit Intuitiver Musik von Karlheinz Stockhausen. Hierbei handelt sich um poetisch formulierte Texte, die suggestiv zu spontanen musikalischen Improvisationen anleiten. Das von der künstlerischen Fluxus-Bewegung inspirierte Stück „OBEN UND UNTEN“ innerhalb des Werks ist eine musiktheatralische Improvisation. Diese Ensemble-Improvisationen steuern sich bei diesen Texten aus einer weitgehend vom Einzelinterpreten zentrierten Perspektive. Fast 50 Jahre nach seiner Entstehung immer noch ein herausforderndes, genauso radikales, wie faszinierendes und polarisierendes Werk.

Notation

Texte auf Deutsch, zusätzlich eine Grafik bei dem Stück „UNBEGRENZT“.

Anforderungen


Die Anforderungen an die InterpretInnen sind auf den ersten Blick relativ elementar, doch in ihrem musikalischen Anspruch (auch im Hinblick auf öffentliche Aufführungen) an die instrumentalen, die kommunikativen wie auch die menschlichen Qualitäten eines Ensembles absolut umfassend:

  • Diese Stücke fordern eine große innere Reife, eine seriöse Einstellung für die geforderten Aufgaben und musikalischen Ideenreichtum beim Improvisieren nach einer klaren Handlungsanweisung.
  • Ein breites instrumentales/vokales Fundament, um im Augenblick kreative Impulse so umzusetzen, dass Ensemblemitglieder wie Publikum schlüssige musikalische Ereignisse präsentiert bekommen, ist unabdingbar.
  • Eine außerordentliche Offenheit und Neugierde auf Unvorhersehbares und Spontanes, sowie Freude an der Perspektive Klangwelten zu erschaffen, die die persönliche Kreativität, intuitives Agieren im Ensemble und die Intention des Werks in eine vibrierende wechselseitige Resonanz bringen, sind äußerst hilfreich.

Didaktische Hinweise und Empfehlungen

Fast ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung stellt sich die Frage, welche Relevanz dieses Werk für uns noch haben könnte; scheint es doch sehr aus dem Faible der damaligen Zeit für das Spirituelle und einer grundsätzlichen Faszination für die kreativen Potenziale des Menschen entstanden zu sein.

Hierbei ist zu bedenken, dass die einzelnen Stücke des Werks in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden können:

  1. Stücke mit klaren suggestiven und deskriptiven Anweisungen: Diese Texte beschreiben konkrete Klangereignisse und Verläufe.
  2. Stücke von meditativem Ansatz: Diese Texte leiten zu einer inneren Haltung beim Musikmachen und zur Interaktion im Ensemble an und sind in Bezug auf konkrete Klangereignisse eher abstrakt oder offen.
  3. Stücke mit vorwiegend spirituellem Bestreben: Hier liegen Texte vor, deren Intention in spirituelle Sphären reicht. Bei der Beschäftigung hiermit wird ein bestimmter persönlicher spiritueller Weg vorgeschlagen und aus diesem Ansatz heraus sollen sich dann aus unterschiedlichen geistig-spirituellen Sphären und Perspektiven Klangereignisse generieren. Dazu informiert besonders auch der Text „LITANEI“ innerhalb des Werks, welcher sich direkt an die InterpretInnen richtet. Dieser enthält Informationen über die Intention des Werks, Rolle des Komponisten und der vom Komponisten den Interpreten zugeschriebenen Rolle.

Die Werke der 1. Kategorie und, mit einigen Einschränkungen, die der 2. Kategorie scheinen aktuell für die praktische Arbeit, auch aus pädagogischer Perspektive, lohnend und effektiv zu sein.

Eine Beschäftigung mit den Stücken der 3. Kategorie würde fundamental in die gesamte Lebensführung der InterpretInnen eingreifen, dazu pädagogisch aufzufordern, ist problematisch. Dies allerdings wohlwollend und in allem Respekt vor der Komposition zu diskutieren und sich mit deren Ideen auseinanderzusetzen, könnte für Interessierte absolut lohnend sein und im Ergebnis die Erweiterung des eigenen künstlerischen Horizonts eröffnen und/oder zur Klärung des eigenen künstlerischen Standpunkts beitragen.

Die radikale Verweigerung von lediglich zu reproduzierendem Material fordert von dem/der MusikerIn eine geradezu existenzielle und klare musikalisch-künstlerische Entscheidung heraus:

  • Traditionell ist sie/er gewohnt sich auf einem klar vorgegebenen Weg zu bewegen, dessen klangliches Ziel deutlich ausformuliert ist und auf dem man interpretatorischen Herausforderungen begegnet, die man vor einer Aufführung planen kann und ausarbeiten möchte.
  • Hiergegen wird in diesem Werk eingefordert: Will und kann sie/er selber anhand einer richtungsweisenden Textvorgabe kreativ werden und sich auf einen unvorhersehbaren Prozess der selbstbestimmten und im Ensemble demokratisch organsierten, offenen künstlerischen Gestaltung einlassen?

Entscheidet man sich für eine Aufführung eines der Stücke sollten grundlegende Improvisationsübungen als Probenphase vorgeschaltet werden:

  • In allen Stücken spielt das gegenseitige Aufeinander-Hören und -Reagieren eine entscheidende Rolle, auch wenn einige Stücke dies als Anweisung nicht explizit vorschreiben. Nur so kann ein chaotisches und narzisstisches Nebeneinander von unabhängigen Klangaktionen vermieden werden. Also ist für das Ensemble eine Phase des Probierens unerlässlich, indem die Möglichkeiten ausgelotet werden, wie sich die eigene intuitive, aus den Texten generierte Klangvorstellung mit denen der MitspielerInnen verweben und mischen lässt. So, dass auf der einen Seite die eigene Authentizität gewahrt bleibt und gleichzeitig der Gesamtklang des Ensembles der Idee des Stückes dient und damit das Werk für ein Publikum sinnlich und intellektuell nachvollziehbar macht.
  • Das (pädagogisch angeleitete und überprüfte) Erarbeiten eines Grundrepertoires an Klangereignissen, die die Intentionen der Texte spiegeln und die jeweiligen instrumentalen/vokalen Möglichkeiten ausschöpfen, kann ein hervorragendes Fundament für die Improvisationen werden.
  • In den Stücken „Setz die Segel zur Sonne“ und „Kommunion“ werden klare Interaktionsformen für das Ensemble vorgeschrieben. Diese sollte man ausgehend von wechselnden Klangsituationen proben und die Ergebnisse kritisch überprüfen (sehr hilfreich sind hier Audioaufnahmen der Proben). Die Erfahrung zeigt, dass die angestoßenen Prozesse meist zu schnell und ohne deutliche Entwicklungen vollzogen werden. Zielführend ist es also, darauf zu achten, dass diese mit genügend Zeit und immer für alle (auch für ein Publikum!) nachvollziehbar angelegt werden.

Kontakt

http://www.karlheinzstockhausen.org

Bezugsquelle

Erschienen bei Universal Edition (www.universaledition.com)