Ein Kinderspiel - Lachenmann, Helmut

Titel

Ein Kinderspiel

Komposition

Lachenmann, Helmut

Besetzung

sieben kleine Stücke für Klavier

detaillierte Besetzung

Klavier solo
Dauerca. 17 Minuten (sieben Einzelstücke mit jeweils unterschiedlicher Dauer zwischen 0‘50“ und 4‘)

Schwierigkeitsgrad

3 mittel

Schlagwörter

Erweiterte Spieltechniken

 

KOMMENTAR

Kurzbeschreibung

„Ein Kinderspiel“ von Helmut Lachenmann besteht aus sieben Charakterstücken. Es handelt sich um Programmmusik mit phantasieanregenden Titeln, geeignet für PianistInnen jeder Altersstufe. Jedes der sieben Stücke beinhaltet zeitgenössische Spieltechniken. Das Befolgen der differenzierten Dynamik- und Artikulationsanweisungen erzeugt faszinierende Klangwelten.

Notation

Der Zyklus ist traditionell notiert und beinhaltet die übliche Notation für die jeweils vorkommenden modernen Spieltechniken.

Anforderungen

  • Die sieben Stücke im Überblick (mit Dauern):
    1. Hänschen klein (1‘10‘‘)
    2. Wolken im eisigen Mondlicht (2‘07‘‘)
    3. Akiko (50‘‘)
    4. Falscher Chinese (ein wenig besoffen) (2‘)
    5. Filter-Schaukel (3‘56‘‘)
    6. Glockenturm (2‘)
    7. Schattentanz (3‘30‘‘)
  • Helmut Lachenmann schreibt im Vorwort: „Obwohl für meinen Sohn David geschrieben und – in Teilen – von meiner damals siebenjährigen Tochter Akiko zum ersten Mal öffentlich gespielt, ist Kinderspiel keine pädagogische Musik und nicht unbedingt für Kinder.“
  • Wegen ihrer hohen kompositorischen Qualität sind die Stücke auch als Konzertstücke für professionelle PianistInnen interessant. Pädagogisch empfehlenswert ist diese Sammlung aber ganz klar für Kinder oder KlavierspielerInnen mit bislang wenig Erfahrung im Spiel zeitgenössischer Klaviermusik.
  • Die Stücke 1-3 sind „leicht“. Die Stücke 4-7 hingegen sind als „mittel“ einzustufen, denn sie erfordern mehr Kraft (Dynamik, Akkorddichte, Artikulation) und pianistische Geschicklichkeit (Tempo).
  • Alle Stücke sind auch mit kleinen Händen gut spielbar. Die größte notwendige Griffweite ist die einer Sexte. Es kommen auch größere Griffe vor, dann wird aber jeweils eine „Ossia“-Version mit kleinerer Griffweite angeboten.
  • Die Stücke Nr. 2, 4, 5 und 7 können bei Bedarf auch an vorgegebenen Stellen gekürzt werden, wenn die Länge der Stücke möglicherweise zu fordernd ist.
  • Das Notenbild ist relativ komplex („mittel bis schwer“). An die Fähigkeiten des Notenlesens werden in allen 7 Stücken weitaus höhere Anforderungen gestellt als an die reine Spieltechnik: Neben den möglicherweise neuen Notationen für verschiedene Spieltechniken enthält die Partitur zudem viele Noten- und Pausenwerte, stumme und klingende Noten, Cluster und Akkorde, Oktavierungszeichen, zahlreiche Haltebögen, Legatobögen, Keile, sforzati, crescendi usw.
  • SpielerInnen, die mit moderner Notation wenig vertraut sind, benötigen deshalb unbedingt pädagogische Anleitung beim Einstudieren.
  • Vorkommende moderne Spieltechniken: Fingerpedal, Obertonklänge durch stumm gehaltene Töne oder Cluster, stummes Nachgreifen, rhythmisch notiertes Pedal, hörbares Loslassen einzelner Akkordtöne.
  • Ein Flügel ist zwar nicht zwingend notwendig, jedoch kommen die vielen Klang- und Obertoneffekte der Stücke an einem solchen viel besser zur Geltung. Die stummen Cluster in allen Stücken und besonders Stück Nr. 6 („Glockenturm“) könnten außerdem an einigen Klavieren möglicherweise nicht funktionieren wegen mangelnder Repetitionsfähigkeit der Tasten – die stumm nachgegriffenen Töne würden ggf. wieder hörbar angeschlagen.

Didaktische Hinweise und Empfehlungen

  • Ein Flügel ist für diese Stücke also sehr empfehlenswert, weil die vielen Oberton-Effekte am Flügel deutlicher hervorgerufen werden können.
  • Hinweise zur Erarbeitung:
    1. „Hänschen klein“:
    • Es bietet sich an, im Unterricht zunächst das originale Kinderlied „Hänschen klein“ möglichst auch in notierter Form in Erinnerung zu rufen und mit dem Stück von Lachenmann zu vergleichen: Sowohl rhythmisch (im Original sind es Viertelnoten, bei Lachenmann staccato-Achtel mit Achtelpausen, die später zu Viertelnoten werden), dynamisch (zwischen fff und p bei Lachenmann) als auch von der Melodieführung (z.B. im Fünftonraum aufwärts im Original und über mehrere Oktaven abwärts bei Lachenmann).
    • Die fff-staccato-Achtel müssen mit Kraft und Präzision geübt werden, um den gewünschten Klangeffekt der hervorgerufenen Obertöne durch den stumm gehaltenen Bass-Cluster zu erreichen. Dazu ist die Technik des jeweils „vorbereiteten Anschlags“ sehr wichtig.Die großen Sprünge der Vorschlagsnoten können als isolierte Sprungübungen mit vielen Wiederholungen geübt werden.
    • Das wache Hören sollte immer wieder auf die hervorgerufenen Obertöne des stumm gehaltenen Clusters und Akkords gelenkt werden.
    • Das Fingerpedal kann ebenfalls durch Zuhören erlernt werden, nicht nur durch den technischen Vorgang des "Haltens" der Tasten.
    2. „Wolken im eisigen Mondlicht“:
    • Eine Unterrichtseinheit könnte sich der Frage widmen, wie Lachenmann die Begriffe „Wolken“, „eisig“ und „Mondlicht“ in diesem Stück klanglich darstellt.
    • Die klangliche Verwandlung der Sekund-Cluster durch die speziell angegebene Pedaltechnik muss der/die SpielerIn sehr rhythmisch angehen. Man könnte an den entsprechenden Stellen zunächst mit gesprochenen Silben nachhelfen, um Finger und Pedal zu rhythmisieren, z.B. „ta-ta“. Sobald dies funktioniert, sollte aber wieder das Hören der hervorgerufenen Klangeffekte im Vordergrund stehen.
    3. „Akiko“:
    • Dieses Stück liegt in zwei Versionen vor: 3-händig oder mit Tonhaltepedal (3a) oder für Klavier ohne Tonhaltepedal (3b).
    • Die Fassung 3b ist schwieriger, weil die linke Hand durch das Halten des Clusters im Bass nicht einsatzfähig ist und die beiden Stimmen, die in 3a mit zwei Händen gespielt werden, allein von der rechten Hand gespielt werden müssen.
    4. „Falscher Chinese (ein wenig besoffen)“:
    • Die rechte Hand spielt weiße Tasten, die linke Hand schwarze Tasten. Ein kurzer Exkurs über Pentatonik/ostasiatische Musik bietet sich hier an.
    • Die sich zwischen beiden Händen ergebenden Rhythmen zunächst genau durchsprechen und evtl. zunächst klatschen, um die Scheu vor der schwierig aussehenden Notation zu nehmen. Zum besseren Nachfühlen des Stücks: einen Betrunkenen theatralisch nachahmen, wie er durch den Raum schwankt.
    5. „Filter-Schaukel“:
    • Das wache Hören der sich wandelnden, „gefilterten“ Zusammenklänge sollte hier im Vordergrund stehen, da man schnell in eine mechanische Spielweise verfallen kann.
    • Die Kraft, die die Hand für dieses Stück benötigt, entwickelt sich im Lauf der Übe-Wochen. Vorsicht ist hier geboten bei sehr jungen oder untrainierten SpielerInnen, da dieses Stück für die Unterarmmuskulatur sehr anstrengend ist. Tägliches, nicht zu langes Üben baut die dafür benötigte Kraft auf.
    6. „Glockenturm“:
    • Die Technik des stummen Nachgreifens erfordert viel Geschicklichkeit.
    • Dazu sollte geübt werden, den stummen Anschlag nur bis zur Hälfte und dann erst vollständig niederzudrücken, um die Kontrolle des Fingers zu schulen.
    7. „Schattentanz“:
    • Zunächst besprechen: Wie stellt Lachenmann den „Schatten“ und wie den „Tanz“ dar?
    • Um die großen Dynamikunterschiede/crescendi zu realisieren (p-fff) und ein Bewusstsein für die enormen Unterschiede zu entwickeln, könnte man zunächst die dynamischen Grenzen des Instrumentes austesten und spüren, wie der Anschlag eines f oder eines fff sich anfühlt
    • Schnelle Wechsel von fff auf p üben, so als ob man einen „Schalter“ umlegen würde.

 

Bezugsquelle

Erschienen bei Breitkopf & Härtel, Best.-Nr. EB 8275, 21,90 € (www.breitkopf.com)

Ein Kinderspiel bei Youtube anhören.

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